Verfügbare Technik zur insektenschonenden Pflege von Grünflächen und Straßenrändern
Die Auswahl der Technik sowie die Beschreibungen wurden zum Teil dem Infoblatt „Insektenschonende Pflege auf Weg- und Straßenrändern“ des LPV Göttingen entnommen. In dem genannten Infoblatt finden Sie weitere Details sowie Beispielfotos zu den Geräten. Außerdem wurden weitere Firmen nach einer Marktanalyse hinzugenommen. Es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit, aber wir haben versucht, die derzeit verfügbare Technik so weit wie möglich vorzustellen. Lediglich bei handgeführten Balkenmähern haben wir aufgrund der großen Zahl von Geräten auf dem Markt nur ein Beispiel für große und professionelle Anwendungsbereiche herausgegriffen.
Wegränder sind mehr als Grünstreifen
Wegränder bieten potentiellen Lebensraum und Nahrungsanbot für eine Vielzahl an Pflanzen und Tieren. Insbesondere Insekten profitieren von blühenden Randstreifen und nutzen hohle Pflanzenstängel oder offenen Bodenstellen als Brut- oder Überwinterungsstätten. Aber auch Feldvögel, Amphibien, Reptilien und Kleinsäuger genießen den Schutz eines Wegrandes. Mit der richtigen Pflege haben Wegränder ein hohes Potential für den Erhalt der Biodiversität in der Agrarlandschaft und können einen wichtigen Beitrag zum Biotopverbund leisten.
Historisch gesehen wurden die ehemals meist breiteren Wegränder vielfältig genutzt zur Beweidung, Heugewinnung und als Triebwege. Heutzutage ist eine Nutzung des Aufwuchses von Wegrändern nicht mehr wirtschaftlich. Aus Verkehrssicherungs- und Kostengründen werden Weg- und Straßenränder in der Regel mehrmals jährlich gemulcht. Die Mulchgeräte zerkleinern den Aufwuchs, der anschließend auf der Fläche liegen bleibt und das Wachstum lichtliebender Kräuter unterdrückt. Folgen sind eine Anreicherung von Nährstoffen im Boden und eine Verarmung der Pflanzenvielfalt. Gräser verdrängen zunehmend krautige Blütenpflanzen, wodurch der Lebensraum und das Nahrungsangebot für Insekten schwinden.
Die Regierung von Oberfranken erläutert am Beispiel der Stadt Bamberg als absoluter Vorreiterin in Sachen Insektenschutz in einem neuen Leitfaden "Einstieg in die ökologische Straßenrandpflege" die Bedeutung der Straßenränder für die Insekten und die Biodiversität und geht auch auf die Fragen der richtigen Technik und der Verwertung ein.
Die richtige Pflege
Schneiden statt Mulchen
Schneidende Techniken wie Balkenmähsysteme waren einst Standard in der Landwirtschaft. Der erhöhte Wartungsaufwand, z.B. beim Messerschleifen, war ein Grund, warum sie allmählich durch robustere Geräte abgelöst wurden. Momentan erleben Messerbalken ein Comeback: Verbesserte Klingen, schnellere Fahrgeschwindigkeiten, passende Schleifroboter, Bodenschonung und ein niedriger Kraftstoffverbrauch durch ihr geringes Gewicht machen sie wieder konkurrenzfähig.
Mahdhäufigkeit
Auf mageren und mittleren Standorten reicht einmaliges Mähen pro Jahr völlig aus. Auf nährstoffreichen Standorten kann, wenn das Mahdgut entfernt wird, zweimal jährlich gemäht werden.
Mahdzeitpunkt
Wegrändern sollten nicht gleichzeitig mit dem umliegenden Grünland oder zur Getreideernte gemäht werden. Für eine ungestörte Entwicklung der Tierwelt und eine erfolgreiche Samenbildung bei Pflanzen ist es von Vorteil, spät im Jahr (September) zu mähen. Wenn zur Aushagerung der Flächen zusätzlich einmal früh gemäht wird, ist es sinnvoll diese Mahd schon im Mai/Juni durchzuführen.
Mahdmethode
Damit nicht alle Lebensräume gleichzeitig beeinträchtigt werden, sollten Flächen abschnittsweise und zeitlich versetzt gemäht werden. Eine sehr große Bedeutung für den Insektenschutz haben mehrjährig ungemähte Bereiche, die Überwinterungsstätten darstellen. Deshalb sollten 10 20 % der Fläche nur jedes zweite Jahr gemäht werden Die Schnitthöhe sollte mind. 10 cm betragen, um bodenlebende Organismen zu schonen
Die richtige Technik
Die Funktionsweise der Mähgeräte hat einen entscheidenden Einfluss auf die Überlebensrate der Wiesenfauna. Grundsätzlich sind schneidende Techniken schonender als rotierende und wesentlich schonender als schlegelnde. Sie haben eine geringere Angriffsfläche, die Messer bzw. die Mähgeräte bewegen sich langsamer und erzeugen weniger Sogwirkung. Viele Hersteller von Mulch- und Mähtechnik überlegen sich aktuell Alternativen zu den bestehenden Techniken, entwickeln altbekannte Methoden weiter oder erfinden neue Ideen zur Insektenschonung.
Messerbalken für Schlepper
Vor allem für den professionellen landwirtschaftlichen Bereich und damit für großen Grünlandflächen bietet die Firma BB Umwelttechnik Balkenmäher neuerer Generation mit bis zu 9 m Arbeitsbreite an, wobei die Seitenmähwerke schmetterlingsartig hochklappbar sind. Ebenso werden Schwader und Bandrechen angeboten. Das besondere an der neuen Technik im Vergleich zu den früheren eher anfälligen Messerbalken sind vor allem die Bodenführung mit Kufen, die geringere Anfälligkeit gegenüber Schäden, die schnellere Reparierbarkeit und die deutlich höheren Arbeitsgeschwindigkeiten. Was Messerbalken für Landwirte zudem attraktiv macht, ist der deutlich verringerte Kraftstoffverbrauch durch das geringe Gewicht, verbunden mit der Möglichkeit, kleinere und damit grundsätzlich schon sparsamere Schlepper dafür einzusetzen:
Auf die Firma Sauerburger bietet Messerbalken für den Schlepperanbau mit 3 m Arbeitsbreite an, die sowohl für landwirtschaftliche Flächen als auch für größere kommunale Flächen interessant sind, da sie auch mit sehr kleinen Schleppern benutzt werden können. Zudem wird ein automatisiertes Schleifwerk für die Messer angeboten, das das tägliche Schleifen stark beschleunigt und vereinfacht.
Ebenfalls Messerbalken mit großer Arbeitsbreite bis 10 m Messerbalken und zugehöriger Technik bietet die Schweizer Firma Wepfer Technics.
Eine größere Auswahl von Doppelmesser-Schneidwerken, die z.T. von anderen Herstellern an ihren Geräten verbaut werden, bietet die Firma Ennepetaler Schneid- und Mähtechnik ESM.
Für schmälere Bereiche wie Weg- oder Straßenränder werden vor allem schmale Arbeitsbreiten benötigt. Die KERSTEN Maschinenfabrik hat ein Frontmähwerk (DMFK 210 H) mit einer Breite ab 1,5 m (bis 9,65 m) und dem robusten Schneidwerk von ESM (s.o.) für Kommunaltraktoren im Sortiment. Ein seitlich verschiebbares Front-Seitenmähwerk ist in Entwicklung. Auch ein automatischer Schleifroboter wird angeboten.
Messerbalken am Auslegearm
Ein Mähwerk am Auslegearm bietet vor allem im kommunalen Bereich den Vorteil auch schmale, unebene Bereiche, wie beispielsweise Böschungen, gut zu erreichen. Die Dücker Maschinenfabrik vertreibt mit ihrem Doppelmessermähwerk DMW 15 ein entsprechendes System. Das Mähwerk hat eine Breite von 1,5 m und die Schnitthöhe kann über die Position des Auslegearms bestimmt werden. Zudem bietet die Firma Bandrechen, Kreiselharken und insektenschonende Mulchgeräte mit weniger Saugeffekten, größeren Abständen und innen verjüngten Walzen an.
Einen weiteren Messerbalken am Ausleger bietet die Firma Greentec an mit Kufenführung und Arbeitsbreiten zwischen 1,65 m und 2,40 m.
Doppelmesserbalken mit neuartiger wenig anfälliger und wartungsarmer Messertechnik für den Unimog und auch für den Ausleger mit kleiner Arbeitsbreite hat ebenfalls die Schweizer Firma Wepfer Technics im Programm.
Im Film werden die Besonderheiten der neuen Technik vorgestellt: https://www.youtube.com/watch?v=RU_nuvjsvsE
Besonders effizient sind Messerbalken am Ausleger, die mit einem Bandrechen kombiniert werden. Hier bietet die Firma Berky nicht nur einen Messerbalken und einen Bandrechen für den Ausleger an, sondern auch eine Kombilösung mit Bandrechen hinter dem Messerbalken mit Arbeitsbreiten (Messerbalken) von 1,90 m und 2,25 m bzw. 2,40 m.
Handgeführte Balkenmäher
Handgeführte Balkenmäher gibt es schon sehr lange und werden v.a. für den privaten Bereich und kleinere Flächen von sehr vielen Firmen angeboten. Die Firma Brielmaier bietet Doppelmessermähwerke auch mit großen und sehr großen Arbeitsbreiten an und machen sie somit für die Pflege größerer Flächen attraktiv. Die Doppelmessersysteme können dabei auch an ferngesteuerte Mähraupen angebaut werden. Zudem bietet die Firma Lösungen mit schmalen Arbeitsbreiten und Fernsteuerung für den kommunalen Bereich speziell für Böschungen, Straßenränder und Gräben an. Neben Messerbalken bietet die Firma auch passende Bandrechen, Heuschieber u.ä. Anbaugeräte an.
Einige Firmen haben sich auf robustere Varianten spezialisiert, die gröberes Material (also z.B. teilverbuschtes oder stark verbrachtes ehemaliges Grünland) mähen können. Zu nennen ist hier die italienische Firma Maschio Gaspardo mit einem selbstschärfenden System auf mehreren Modellen. Ähnliches hat auch die Firma Avant Tecno im Programm.
Insektenschonende(re) Mulchgeräte
Wirklich insektenschonende Mulchtechnik kann es technisch bedingt eigentlich nicht geben (daher die Klammer in der Überschrift). Einige Firmen haben sich allerdings Gedanken gemacht, wie die Mulchtechnik optimiert werden kann, um zumindest deutlich mehr Insekten vor dem sicheren Tod zu bewahren als bisher.
Prinzipiell können folgende Entwicklungen und Techniken zu weniger Insektenschäden beitragen:
- Verscheucheinrichtungen vor dem Mähwerk. Hierzu gibt es Stangensysteme, Ketten oder Gebläse. Letzteres sollte an sich zum (kurzzeitigen) Vertreiben von Insekten unserer Ansicht nach deutlich effizienter sein als die anderen. Stangen und Kettentechnik bieten z.B. die Firmen Müthing, MULAG, Dücker, Agria und Vogt an. Ein Gebläse wird von der Firma Fischer eingesetzt.
- Größerer Abstand zum Boden. Hierzu kann entweder der Mulchkopf beim Mähen in der Schwebe gehalten werden, was z.T. in der Praxis schwierig ist oder mit einem Abstandhalter höher über dem Boden bewegt werden. Ein großes Problem stellt auch die Abrollwalze dar, die i.d.R. auf dem Boden aufliegt und darüber rollt und so auch viele am Boden lebende Insekten (z.B. Laufkäfer) oder auch Amphibien erwischt. Hier hat z.B. die Firma Dücker eine Walze entwickelt, die in er Mitte verjüngt ist und nur an den Kanten den Boden berührt. MULAG arbeitet zu dem Zweck mit sog. Tastrollen, die wie kleine „Stützräder“ wirken und Müthing mit seitlichen Gleitkufen oder hoch eingestellten Stützrädern.
- Verringerte Sogwirkung durch spezielle V- oder Y-Messer (z.B. von Dücker) oder scheibenmäherähnliche Schneidwerkzeuge (MULAG).
- Indirekten Nutzen für Insekten bieten Absaugvorrichtungen, die das Mulchmaterial in einen Transportbehälter oder einen mitfahrenden Wagen befördern. Dies saugt zwar Insekten mit ein, diese sind aber meist sowieso schon durch den Mulchvorgang getötet oder stark geschädigt. Absaugen bewirkt die Entfernung der Mulchschicht und damit die Verhinderung ihrer schädlichen Wirkungen für die Vegetation und damit mittelbar für die Insekten: Abdunklung, Befeuchtung, Fäulnisprozesse, Nährstoffanreicherung, Verfilzung und damit Förderung der Gräser und Unterdrückung der blühenden Kräuter.
Auch Bauhöfe selbst sind mittlerweile an insektenfreundlicher Pflege interessiert und bewerben die Technik auf ihrem Fachportal: https://www.bauhof-online.de/d/schonend-fuer-tier-und-pflanze-was-leisten-die-neuen-oeko-maeher-und-mulcher/?L=0
Rechtlicher Hinweis
Alle Verweise auf Firmen beruhen auf einer unabhängigen Auflistung verschiedener Techniken der insektenschonenden Pflege und dienen der sachlichen Darstellung und Erläuterung dieser Praxisempfehlung.
Wir danken dem LPV Göttingen für die freundliche Erlaubnis, die Inhalte ihrer Infobroschüre „Insektenschonende Pflege auf Weg- und Straßenrändern“ verwenden zu dürfen.